16.02.2023

Zum Dialog gibt es keine Alternative

Fragen an Kolping-Geschäftsführer Uwe Slüter zum Sparprozess des Bistums Münster

Herr Slüter, Adolph Kolping hat uns dieses Zitat hinterlassen: „Das Glück der Menschen, das liegt nicht in Geld und Gut, sondern es liegt in einem Herzen, das eine wahrhafte Liebe und Zufriedenheit hat.“ Erlauben Sie mir trotzdem einige Fragen zu den Finanzen und harten Einsparungen des Bistums Münster?
Geld an sich macht nicht glücklich, andererseits kann ich mir viele Dinge, die ich zum Leben brauche wie Wohnung, Lebensmittel etc. nur leisten, wenn ich über genügend Finanzmittel verfüge. Als Geschäftsführer weiß ich, dass ich bei vernünftiger Finanzausstattung des Kolpingwerkes doch besser schlafe. Der Finanzbericht gegenüber unseren ehrenamtlichen Kontrollgremien gehört zu meinen wichtigsten Aufgaben. Fragen Sie bitte!

Im tiefen Corona-Jahr kam eine weitere Hiobsbotschaft hinzu: Das Bistum hat 2020 sehr offen kommuniziert, dass es auf Basis des Haushaltsplanes 2020 bis 2025 eine Reduzierung um 32,7 Millionen Euro erreichen will. Ganz klar ging die Botschaft an die Verbände, dass auch sie ihren Beitrag dazu leisten müssten. Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Reaktion?
Das Bistum muss angesichts demografischer Veränderungen und der hohen Austrittszahlen sparen. Diese Botschaft war uns bereits bekannt. Der Spar- und Strategieprozess wurde bereits vor 2019 gestartet. Die konkreten Überlegungen, wie und wo das Bistum die Sparauflagen umsetzen will, wurden allerdings erst mit Beschluss durch die Bistumsleitung 2020 bekannt. Konkret heißt das: Der Bistumshaushalt für die Erwachsenenverbände soll ab 2025 um 10 Prozent gekürzt werden und der für die Jugendverbände um ca. 6 Prozent. Wir brauchen uns aber keinen Illusionen hingeben. Die Kürzungen werden auch nach 2030 mit weiteren Einsparauflagen fortgesetzt werden.

Und was folgte dann? Wie ist der Diözesanvorstand des Kolpingwerkes mit dieser Vorgabe umgegangen?
Kirche braucht Veränderung, um zukunftsfähig zu werden. Wir wünschen uns, dass der Sparprozess für Veränderung genutzt wird, dass der Sparprozess am Ende die Zukunftsfähigkeit von Kirche unterstützt. Das Kolpingwerk ist ehrenamtlich organisiert. Wir wollen, dass das Ehrenamt unter diesem Spar- und Reformdruck dennoch stark bleiben kann. Unser Verband benötigt hauptamtliche Unterstützungsstrukturen. Diese ist vom Sparprozess betroffen und damit trifft das Sparen direkt auch die Ehrenamtlichen. Wir beraten und begleiten unsere Kolpingsfamilien und Ebenen intensiv. Das soll auch so bleiben!

Das Kolpingwerk trägt also diese harte Zäsur mit? Wie denn?
Einen Klageweg gegen Mittelkürzungen gibt es in unserer Kirche nicht. Wir werden die Sparbeschlüsse akzeptieren müssen.

Die Bistumsverwaltung hat die katholischen Erwachsenenverbände aufgefordert, miteinander im Dialog einen Einsparvorschlag zu unterbreiten. Das ist nicht so einfach. Bekommt der eine Verband mehr, müssen andere verzichten. Gemeinsam wollen wir das gesamte Förderinstrument modernisieren und an aktuelle Herausforderungen anpassen. Auch die Verbände haben sich in den letzten Jahrzehnten verändert und unterschiedlich weiterentwickelt. Das Kolpingwerk als generationsübergreifender Verband ist ganz gut aufgestellt. Die Erwachsenenverbände suchen einen Konsens. Wir sprechen noch miteinander.

Intern haben wir bereits besprochen, wo wir zukünftig sparen wollen.

Haupteinnahmequelle ist die Kirchensteuer (siehe Info-Kasten). Dass aufgrund des Missbrauchsskandales in der katholischen Kirche in Münster, Deutschland und eigentlich weltweit viele Menschen der Institution Kirche den Rücken kehren und damit die Kirchensteuer stark reduzieren, wundert nicht. Auch sind viele absolut nicht einverstanden, dass Schadensersatzzahlungen teils aus dem Etat der Kirchensteuer kommen. Ich weiß, mit dieser Frage würden wir ein ganz neues Problemfeld öffnen. Darum bitte ich hierbei nur um ein kurzes Statement. Welche Stichworte hätten Sie für uns, um dieses finanzielle, aber zutiefst auch menschliche Drama zu bewältigen?
Auch in den Verbänden wurde in der Vergangenheit bei dem Thema Missbrauch häufig weggeschaut. Nach der Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens für das Bistum Münster haben wir deshalb alle Mitglieder aufgerufen, sich zu melden, wenn sie etwas zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt im Kolpingwerk beitragen können.

Wir wünschen uns, dass die katholische Kirche eine synodale Kirche wird, in der Machtmissbrauch und Diskriminierung aufgearbeitet werden und durch Aufarbeitung und Gerechtigkeit für die von Missbrauch Betroffenen gesorgt wird. Wir brauchen Strukturreformen, die Geschlechtergerechtigkeit, die Anerkennung von Diversität und breite Beteiligung an Beratungen und Entscheidungen in der Kirche zum Ziel haben. Das entspricht den Menschen und spiegelt ihre Lebensrealität. Ich sehe auch theologisch diese Offenheit für Erneuerung. Die Struktur der Kirche ist weitgehend Menschen gemacht.

Im Generalvikariat ist die Wiederbesetzungssperre eingeführt worden, und betriebsbedingte Kündigungen will man vermeiden. Wie halten Sie es bei der Geschäftsstelle und den weiteren Firmen des Diözesanverbandes und im Kolping-Bildungswerk? Können Sie aufgrund der reduzierten Bistumszuwendungen und Einsparungen noch weiter expandieren bzw. Investitionen tätigen?
Wir sind im Kolpingwerk ehrenamtlich organisiert. Im Unterstützungsapparat sind keine betriebsbedingten Kündigungen geplant. Die Mitglieder, Leitungsverantwortlichen und Mitarbeitenden sind gemeinsam Kolping. Wir wollen gemeinsam die Herausforderungen von Gegenwart und Zukunft annehmen und mutig und beherzt unsere Gesellschaft und unsere Kirche mitgestalten. Das formuliert unser neues Leitbild sehr schön! Kolping, dass sind auch die Mitarbeitenden in unseren Einrichtungen, wie dem Bildungswerk, der Bildungsstätte oder auch dem Ferienland Salem.

Das Kolpingwerk finanziert sich ja nicht ausschließlich aus Bistumszuweisungen. Die Mitgliedsbeiträge spielen ebenfalls eine Rolle. Auch unsere neu gegründete Kolping-Stiftung soll zukünftig einen Beitrag leisten, damit wir finanzielle Spielräume erhalten können.

Eine Expertenkommission soll Strategien für zentrale Handlungsfelder der katholischen Kirche im Bistum entwickeln. Wo würden Sie Ihre Prioritäten setzen? Eine davon ist die Schaffung sogenannter „Pastoraler Räume“. Unter der Notwendigkeit fehlender Priester und rein wirtschaftlich gesehen, wohl eine gute Idee. Wie denken Sie über den seelsorglichen Auftrag unserer Kirche. Kann dieses elementar gewährleistet bleiben?
Auch wenn die Reaktionen aus Rom auf den Synodalen Weg, auf den sich Bischöfe und Laien gemacht haben, für viele eine große Enttäuschung ist, wir werden uns nicht entmutigen lassen. Zum Dialog gibt es keine Alternative. Pastorale Räume sind erst einmal eine strukturelle Antwort auf den Priestermangel. Ohne Lösung zentraler Fragen der Synodalität von Kirche, der Teilhabe von Frauen und Laien auf allen Ebenen und der Aufarbeitung des Missbrauchs Betroffener zweifle ich, dass mit neuen pastoralen Räumen dem seelsorglichen Auftrag nachgekommen werden kann. Zu viele zweifeln an der Zukunftsfähigkeit unserer Kirche.

Strukturfragen scheinen überwiegend geklärt zu sein. Leitungsfragen sind noch offen. Ohne Synodalität geht es auch hier nicht. Außerdem gibt es immer weniger Menschen, die sich ehrenamtlich in kirchlichen Gremien engagieren wollen. Ich bezweifle, dass sich genügend Menschen zeitlich und inhaltlich einbringen wollen. Ich sehe eher, dass sich Gemeinde gerade grundlegend verändert und nicht mehr – wie ich es persönlich kennengelernt habe – Heimat für Menschen bietet.

Das Bistum Münster wird gern und berechtigt als „Verbändebistum“ bezeichnet. Es ist ja kein Geheimnis, das in den christlichen Verbänden oftmals auch der Nachwuchs oder neue Mitglieder fehlen, die sich mit ihrem Engagement längerfristig an einen Verband binden wollen. Könnten Sie sich vorstellen, dass verschiedene Dachverbände mit relativ identischen Zielen fusionieren oder zumindest enger zusammen arbeiten um Synergien zu bündeln?
Gegenfrage: Was macht ein Verbändebistum aus?

Sicher, im Bistum gibt es viele Verbände, in ihren jeweiligen Bundesverbänden sind die Verbände aus dem Bistum Münster häufig sehr Mitglieder stark. Der DV Münster ist immer noch der weltweit größte Diözesanverband im Kolpingwerk. Die Verbände sind in der Laienvertretung „Diözesankomitee“ organisiert und geben dort den Ton an. Sie vertreten ihre Interessen auch in anderen diözesanen Gremien. Außerdem ist im Vergleich die finanzielle und personelle Unterstützung durch das Bistum noch recht gut. Aber wenn mit Verbändebistum Mitbestimmungsmöglichkeiten gemeint sind, regelmäßige gegenseitige Konsultationen und eine Ausrichtung der Pastoral auch auf die Erwachsenenverbände, dann sehe ich das kritischer.

Alle Verbände im Bistum habe ihre Eigenarten und vor allem eine besondere Spiritualität. Sicher ist mehr Zusammenarbeit möglich, ob sich daraus aber Zusammenschlüsse ergeben, bezweifle ich sehr.

Wir können auf gesellschaftliche Veränderungen besser reagieren als die Kirche. Das Kolpingwerk Deutschland öffnet sich auch für Nichtchristen. Somit können auch Menschen unserem Verband beitreten, die nicht getauft sind oder einer anderen Religion angehören. Wichtig ist allerdings, dass sie die Werte des Kolpingwerkes teilen. Außerdem haben wir das Familienbild erweitert: Es geht jetzt auf die verschiedenen Lebensrealitäten ein; „jede Art von Lebensform und Familienmodell“ werden anerkannt und respektiert. Wir sind und bleiben Teil von Kirche und werden wegen dieser Veränderungsbereitschaft Heimat für viele.

Zum Abschluss zurück zum Diözesanverband. Wird Kolping im Bistum Münster seine erforderlichen „Hausaufgaben“ machen und seinen Beitrag im Sparprozess des Bistumshaushaltes leisten?
Wir werden uns in die Notwendigkeiten fügen und weiterhin attraktiv bleiben. In der Gegenwart muss unser Wirken die Zukunft im Auge behalten – dieser Spruch Adolph Kolpings gilt heute mehr denn je.

Die Pressestelle des Kolpingwerkes DV Münster dankt für Ihre offenen und informativen Antworten.

Das Interview führte Rita Kleinschneider.

Uwe Slüter

Gut zu wissen

Das Bistum Münster ist mit rund 1,9 Millionen Katholiken (knapp 1,6 Millionen im nordrheinwestfälischen Teil) die zweitgrößte Diözese in Deutschland.

Der Haushaltsplan 2020 geht für den nordrhein-westfälischen Teil von Erträgen von gut 687 Millionen Euro aus.

Haupteinnahmequelle ist die Kirchensteuer, die 2020 bei rund 459 Millionen Euro liegen dürfte.
Insgesamt sind im Bischöflichen Generalvikariat sowie in den Pfarreien und Einrichtungen des Bistums in Nordrhein-Westfalen rund 22.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt.
Quelle: Pressedienst Bistum Münster 22. Januar 2020

 
 

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