17.03.2024

Da bleibt das Lachen im Halse stecken

Aufrüttelnde szenische Lesung „Geheimplan gegen Deutschland“

Das Kammertheater „Der Kleine Bühnenboden“ aus Münster beindruckte mit seiner vielbeachteten Leseinszenierung „Geheimplan gegen Deutschland". Die Schauspieler:innen stellten die geheime Zusammenkunft in Potsdam nach, bei dem „Correctiv“ vor Ort war und das Treffen dokumentiert hat.
Das Kammertheater „Der Kleine Bühnenboden“ aus Münster beindruckte mit seiner vielbeachteten Leseinszenierung „Geheimplan gegen Deutschland". Die Schauspieler:innen stellten die geheime Zusammenkunft in Potsdam nach, bei dem „Correctiv“ vor Ort war und das Treffen dokumentiert hat.

Am Ende stehen alle 380 Zuhörer in der Anna-Katharina-Kirche auf. Klatschen. Nicht nur als große Anerkennung für die Leistung der fünfköpfigen Schauspielertruppe vom „Kleinen Bühnenboden“ in Münster, sondern offenbar auch als Ausdruck des durch das Gesehene erstarkten Willens, sich den bei einem „Geheimtreffen“ in Potsdam vorgestellten und von Reportern von correctiv.org enthüllten menschenverachtenden Plänen im wahrsten Sinne des Wortes entgegenzustellen.

Die Betroffenheit steht vielen nach der Aufführung, zu der das Kolping-Bildungswerk Diözesanverband Münster in Kooperation mit den Kirchen im Pastoralen Raum Coesfeld (Anna Katharina, St. Johannes und St. Lamberti) eingeladen hatte, ins Gesicht geschrieben. „Das war so eindrucksvoll“, sagt später eine Besucherin. „Ich fühlte mich fast, als wäre ich dabei gewesen.“

Die Schauspieler nehmen den Beifall nicht nur für sich an, sondern drehen sich demonstrativ um. Sie schauen auf die Leinwand hoch, auf der zuvor immer wieder verdeckt aufgenommene Video-Sequenzen und Fotos des Recherchenetzwerks correctiv.org beziehungsweise von Greenpeace eingeblendet worden waren. Und beklatschen die Journalisten von correctiv.org. Ihre Veröffentlichung der abstrusen Pläne der Vertreibung von großen Bevölkerungsteilen hat in den vergangenen Wochen bekanntlich Millionen Protestler auf die deutschen Straßen gebracht, darunter auch über 3000 in Coesfeld.

Schlichte Bühne, schockierende Worte

Der Bühnenaufbau: schlicht, ein Tisch in der Mitte, zwei Rednerpulte links und rechts. Aus dem Off erklingt zunächst die Stimme von AfD-Chefin Alice Weidel: „Diese Regierung hasst Deutschland.“ Sie war nicht in Potsdam dabei, aber ihr später als „Bauernopfer“ entlassener persönlicher Referent spielt an dem Abend als „Kontaktmann“ in die Bundesspitze der AfD hinein eine tragende Rolle. Und dann ist man auch schon mittendrin in der Szenerie des sogenannten „Düsseldorfer Forums“, das ein rechtsextremer Zahnarzt - um Spenden „für die patriotische Sache“ zu sammeln - initiiert hatte.

Die Schauspieler Maria Goldmann, Ulrich Bärenfänger, Konrad Haller, Toto Hölters und Stefan Nászay (alle ín weißen Hemden und dunklen Sakkos) schlüpfen in die unterschiedlichen Rollen dieser Rechtsausleger-Runde – vom österreichischen Star der Identitären Bewegung, Martin Sellner, über einen Neonazi-Schläger (einer von, wie wir nun auch wissen, über 100 rechtsextremen Mitarbeitern der AfD im Bundestag) bis zu einer AfD-Bundestagsabgeordneten und dem AfD-Fraktionschef in Sachsen-Anhalt.

„Warum legen wir nicht Exekutive und Judikative zusammen?“

Zwischendurch gibt es immer wieder Regieanweisungen: „Machst du einen Fehler, hast du gleich einen Haufen Medienanwälte am Hals.“ Bisweilen mutet das komisch an. Aber das Lachen bleibt schnell im Hals stecken, wenn kurz darauf die nächste Demokratie zersetzende Maßnahme vorgestellt wird: „Warum legen wir nicht Exekutive und Judikative zusammen?“, fragt einer. „Eine radikale Wende ist notwendig“, meint ein anderer. Besonders perfide: Ergebnisse demokratischer Wahlen sollen durch inszenierte Einspruch-Kampagnen in Zweifel gezogen werden. Donald Trump grüßt über den großen Teich.

„Wir lassen uns unsere Demokratie nicht kaputt machen!“

Man kann das alles kaum glauben. Und darum kommt auch immer wieder der Hinweis ans Publikum: „Auch wenn es verstörend wirkt, die geschilderten Ereignisse haben tatsächlich so stattgefunden.“ Die Texte basieren auf Gedächtnisprotokollen der correctiv-Reporter und ihren Quellen. Die Schauspieler gehen in ihren Rollen voll auf – gleichzeitig lassen sie immer wieder spüren, wie sehr sie selbst das Gesagte verabscheuen. Richtig gut!

Und am Ende machen sie allen Mut, dass dieser Abend „Teil einer neuen Erzählung“ sein könnte: dass wir „nicht pennen“, dass wir „hellwach sind“ „und dass wir uns unsere Demokratie nicht kaputt machen lassen“.

Text: Detlef Scherle / Allgemeine Zeitung Coesfeld
Fotos: Rita Kleinschneider

Kommentar:

Jetzt sind wir dran!

Richtig gute Journalisten haben einen Top-Job gemacht: den Vorhang weggezogen, üble Pläne einer sich sonst gern bieder gebenden AfD und anderer rechtsextremer Kreise offen gelegt. Wunderbare Schauspieler haben das Unfassbare auf die Bühne gebracht. Ja, und jetzt sind wir dran! 3000 Coesfelder:innen (und viele Kolpingsfamilien im DV Münster, Anm. d. Red.) waren schon auf der Straße, um gegen Hass und Hetze zu demonstrieren. Aber die Lage ist weiter ernst, wie die Umfrageergebnisse für die AfD zeigen.

Wie sagte es Schauspielerin Maria Goldmann: Es gehe den Rechten um nichts weniger als die Zerstörung der Demokratie: „Diese Zerstörung, wie wir gehört haben, ist im Gange. Sie passiert. Jetzt.“ Manche halten die AfD dagegen immer noch nur für konservativ („die CDU von früher“) – vielleicht mit vereinzelten Spinnern, aber wählbar. Und diese Leute waren wahrscheinlich nicht in der szenischen Lesung.

Auch wenn es schwer fällt: Jeder muss nun ran. Mit solchen Nachbarn, Arbeitskollegen, Bekannten, Angehörigen sprechen. Gelingt uns nicht, ihnen die Augen vor den Gefahren zu öffnen, werden wir auch unser Coesfeld schon in einigen Jahren nicht mehr wiedererkennen.

Detlef Scherle (AZ Coesfeld)

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